Ph.D. programme on global financial markets and international financial stability at Jena University and Halle University, Germany

Donnerstag, 19. Februar 2009

Banker-Boni

... sind derzeit im Gespräch. Gier, Neid und Niedertracht -- das Thema hat Massenappeal. Stellvertretend aus einer Vielzahl von Berichten hier ein Artikel aus dem Spiegel: Investmentbanker kassieren Millionen trotz Boni-Stopp. Dies ist keine "typisch deutsche" Neid-Debatte, kein deutscher Sonderweg. Dasselbe Thema erhitzt auch anderswo die Gemüter. Vgl. dazu die Google-Suche zum Stichwort executive pay caps. In der Tat ist es nicht einzusehen, dass Banker Boni in Millionenhöhe kassieren sollen, wenn sie so schlecht gewirtschaftet haben, dass ihre Institute nur mit staatlichen Finanzspritzen überleben können. Dies wirft wirtschaftliche, ethische und juristische Fragen auf.

Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht macht gerade eine nüchterne empirische Analyse Furore, und zwar die Studie Wages and Human Capital in the U.S. Financial Industry: 1909-2006 von Thomas Philippon (New York University) und Ariel Reshef (University of Virginia). U.a. das Handelsblatt (Banker sind überbezahlt wie schon 1929) und Associated Press (Wall Street's culture of entitlement hard to shake) greifen sie auf. Die Autoren belegen mit ökonometrischen Methoden, dass die Gehaltsentwicklung im US-Finanzsektor nur mit einer anderen historischen Epoche vergleichbar ist: der Boom-Zeit vor der Großen Depression, die mit dem Aktiencrash vom Oktober 1929 endete. O-Ton der Studie:

This finding is prima facie evidence that the financial sector is not in a sustainable labor market equilibrium, and that short term rents are likely to diminish.
Klartext: Die Gehaltsentwicklung im Finanzsektor war nicht nachhaltig. Ein beträchtlicher Rückgang der dort erzielten (bzw. erzielbaren) Einkommen ist unvermeidlich.

Doch das Thema hat auch eine ethische Dimension. Offenbar tut sich hier ein Abgrund auf zwischen dem, was für Normalbürger ethisch selbstverständlich ist, und dem, was in der Welt der Investmentbanker als normal gilt. Unter der Überschrift John Thain fällt in Ungnade*/ macht die LA Times dazu eine kluge Beobachtung:

The long hours many bankers work help feed an attitude of entitlement, Freeman said."I've had former students talk about sleeping under their desks," he said. "This leads to this idea of, I'm entitled to being rewarded. But sometimes, that's disconnected from performance."
Will heißen: Die 24/7-Kultur, die bei Investmentbankern gepflegt wurde (wird?), führt bei ihnen zu dem Gefühl, die Millionenboni verdient zu haben. Dass sie mit ihrer Arbeit -- der Erzeugung von toxischen Finanzprodukten -- keine oder sogar negative Werte geschaffen haben, passt nicht in ihr Weltbild. Anders gesagt: die Investmentbanker beurteilen sich selbst nach ihrem Input (und der ist enorm), der Rest der Welt beurteilt sie nach ihrem Output - und der ist derzeit negativ.

Und schließlich der juristische Aspekt. Angeblich sind die Boni - da arbeitsvertraglich zugesichert - nicht kürzbar. In seinem Interview Geld des Steuerzahlers nicht für Boni erklärt der Staatsrechtler Otto Depenheuer von der Universität zu Köln, warum dem (nach seiner Ansicht) nicht so ist.

*/ John Thain (früher Merrill Lynch) war 2008 der Topverdiener an der Wall Street: Executive Pay: The Bottom Line for Those at the Top aus der New York Times.

Keine Kommentare: